• Eine Grundschulklasse. Ein Mädchen hebt die Hand zum Melden.

Vom Bäckerlehrling zum Kapuzinerbruder

Altötting. Nach seiner Bäckerlehre führt Bruder Marinus Parzingers Weg ins Kloster und schließlich als Präses an die Spitze der Stiftung SLW Altötting. Heute verbindet der Bruder, Priester und Präses selbstlos Führung und Fürsorge, Spiritualität und Struktur – und trägt den franziskanischen Geist im Herzen und ins SLW.

Br. Marinus verteilt Suppe und Brot an Kinder

Interview von Andrea Obele mit Präses Br. Marinus Parzinger über seine Aufgaben

Ich treffe Br. Marinus Parzinger beim Austeilen der Fastensuppe am Aschermittwoch. Während er gekonnt das Brot zur Suppe aufschneidet, erzählt er den anwesenden Kindern von seiner Bäckerlehre. Später, beim Interview im altehrwürdigen Herrenzimmer des Franziskushauses, gibt der Präses des SLW Altötting Einblick in seinen Werdegang. Denn er ist als „Spätberufener“ erst mit 24 Jahren in den Orden eingetreten und mit 31 zum Priester geweiht worden.

„Ich bin in einer ganz normalen, religiösen Familie mit sechs Geschwistern auf einem Bauernhof aufgewachsen“, erzählt der Kapuziner seine Lebensgeschichte. „Wir wohnten direkt neben dem Pfarrhof, mein Onkel war Kapuziner, meine Tante lebt im Kloster. Es gibt also eine gewisse Vorprägung. Und doch war ich zunächst auf einem ganz anderen Weg. Ich wollte arbeiten, selbstständig sein, Geld verdienen. So bin ich Bäcker und Konditor geworden.“ Doch die Arbeit als Bäcker erfüllte ihn auf Dauer nicht. „Mit der Zeit kamen Fragen auf – nach dem Sinn, nach dem, was bleibt. Ich habe angefangen zu lesen“, blickt der 62-Jährige zurück, „mich mehr mit Glauben, Philosophie und Lebensfragen auseinanderzusetzen.“ 

Prägend waren für den jungen Mann das Franziskusfest 1982 im Kloster seiner Tante und zwei Jahre später der erste Besuch in Assisi: „Dieser Ort und der heilige Franziskus – da ist etwas aufgegangen in mir, das mich nicht mehr losgelassen hat. Dann war da noch das Vorbild des Onkels und die Kapuziner, die nicht weit von meinem Geburtsort wirkten. Der Glaube war für mich einfach attraktiv.“

Franziskus als Wegweiser 

Für Br. Marinus ist Franziskus ein Vorbild – eine Gestalt mit besonderer Wirkung: Seine Friedensvision, seine Wandlung durch Begegnungen, seine Nähe zu den Armen. Und sein Bild der Natur, das in seinem „Sonnengesang“ Ausdruck findet: „Franziskus spricht darin die Natur als Gegenüber an – in einer Welt, in der wir Menschen sie oft als etwas Feindliches behandeln. Wir beuten sie aus, nehmen, was wir kriegen – und wenn wir so weitermachen, zerstören wir unsere eigenen Lebensgrundlagen. Franziskus war kein Romantiker. Er lebte unter einfachsten Bedingungen – ohne Heizung, oft in Häusern oder Höhlen. Sein Leben war nicht bequem, sondern konsequent. Und gerade deshalb glaubwürdig.“

Führen mit franziskanischem Kompass 

Diese Glaubwürdigkeit lebt Bruder Marinus heute als Präses der Stiftung SLW Altötting, als Vorsitzender der Vertretervereinigung der SLWs in Europa und als Guardian des Kapuzinerordens in Altötting weiter. In diesen Rollen trägt er Verantwortung, wie man sie sonst eher aus der Wirtschaft kennt – vergleichbar mit der eines Top-Managers. Wie gelingt es ihm, das Spirituelle mit den praktischen Anforderungen des Alltags zu verbinden?  „Ich sehe das nicht als Gegensatz“, sagt er. Ob er eine Entscheidung trifft, ein Gespräch führt, ein Projekt unterstützt oder eine Veränderung anstößt – stets geschieht das aus einer inneren Überzeugung heraus. „Und die kommt aus dem Franziskanischen“, sagt der 62-Jährige. „Das Miteinander im Blick haben, Menschen ernst nehmen, Strukturen schaffen, die helfen – nicht nur die, die einfach nur funktionieren.“

Menschen Sinn geben

Fragt man den Kapuziner nach seiner wichtigsten Aufgabe, denkt er kurz nach. „Vieles greift ineinander“, sagt er schließlich. „Aber wenn ich eine benennen müsste, dann diese: Ich will nicht einfach leiten. Ich will helfen, den franziskanischen Geist im SLW lebendig zu halten. Nicht als Symbol oder Satz, sondern als gelebte Praxis. In einer Zeit, in der alles schneller, komplexer, unsicherer wird, ist es entscheidend, dass Menschen wissen, warum sie tun, was sie tun – und dass sie das als sinnvoll erleben. Das betrifft Mitarbeitende ebenso wie die von uns betreuten Kinder und Familien.“

In diesem Zusammenhang gäbe es viele Begegnungen, die sich ihm eingeprägt haben – Kinder, die unter schwierigsten Bedingungen aufwachsen und dennoch über eine erstaunliche innere Stärke verfügen: „Das sind Situationen, die mir zeigen, wie wichtig es ist, dass wir als Gesellschaft, als Einrichtung, als Einzelne für unsere Kinder und Jugendlichen da sind.“

Interview: Andrea Obele

 

Aus kleinen Kraftquellen schöpfen

Neben seinen vielfältigen Aufgaben in der Stiftung ist er auch Guardian der Brudergemeinschaft im Kloster St. Konrad, kümmert sich dort um seine Brüder und alle anfallenden Aufgaben im Kloster. Zeit zur Entspannung bleibt dabei wenig. 

„Ich achte mittlerweile bewusst darauf: Ausreichend Schlaf, kleine Auszeiten im Alltag, Momente der Stille, Lesen, Musik, ein Spaziergang im Wechsel der Jahreszeiten – solche einfachen Dinge geben mir Kraft“, berichtet Br. Marinus über seine Kraftquellen. „Was mir auch guttut: Rituale. Etwas so Einfaches wie eine Segnung kann viel auslösen – für andere, aber auch für mich selbst. Es ist ein Moment des Innehaltens. Je achtsamer ich mit diesen kleinen Quellen umgehe, desto besser kann ich auch für andere da sein.“  Vor allem schöpft der Priester und Präses seine Kraft aber aus dem Glauben – und dem Wissen, dass er nicht allein ist: „Mitarbeitende, Mitbrüder, Freunde. Ich bin nicht allein. Wir tragen gemeinsam Verantwortung. Das macht viel aus.“

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