Vom Einzelkämpfer zum Teamplayer

Leben im SLW: Schüler der 8. Jahrgangsstufe im Mittelpunkt beim Anti-Gewalt-Training im Antoniushaus Marktl

Marktl. Schüler der 8. Jahrgangsstufe, die durch impulsive Reaktionen und Gewaltbereitschaft auffällig wurden, stehen im Mittelpunkt des Anti-Gewalt-Trainings im Kinder- und Jugendwohnheim Antoniushaus Marktl. Unter anderem bei einem Projektwochenende wird den Schülern mit verschiedenen Konzepten die Möglichkeit geboten, sich vom potenziell aggressiven Einzelkämpfer zum Teamplayer zu entwickeln. Das pädagogische Konzept erweist sich als wirkungsvoll, weil es den Jugendlichen ermöglicht, positive Veränderungen in ihren Verhaltensweisen und deren Auswirkungen auf andere direkt zu erleben und zu verinnerlichen.

Acht Augenpaare sitzen sich in der Turnhalle des Antoniushauses auf zwei Stuhlreihen gegenüber. Vier rechts, vier links. Mittendrin steht Stefan* (die Namen wurden von der Redaktion geändert), der bei dieser außergewöhnlichen Reise nach Jerusalem die Aufgabe hat, sich einen freien Stuhl zu ergattern. Es ist mucksmäuschenstill, die Stimmung ist angespannt, abwartend. Ohne Worte sollen sich die Jungs verständigen, nur mit einem Zwinkern ein Gegenüber zum raschen Tausch der Sitzgelegenheiten auffordern. Zunächst klappt die nonverbale Kommunikation zögerlich, die Blicke finden sich selten, schweifen ab. Doch dann beginnt das rasante Spiel die Beteiligten aufzulockern. Die Stimmung wird positiver, die Blicke sicherer, die Wechsel schneller. Stefan hat sich seinen Platz schon längst erobert, inzwischen wartet Julius auf seine Chance. Die anderen blinzeln und tauschen, was das Zeug hält, sind schließlich außer Atem und müssen aufpassen, dass sie im Überschwang nicht andere vom Stuhl schubsen. Zeit für die Sozialpädagogen, die Einheit zu beenden und im Stuhlkreis das Geschehene zu reflektieren. Schließlich haben sich die acht Jugendlichen an diesem Freitagnachmittag nicht zum Spielen getroffen, sondern absolvieren im Rahmen des Sozialkompetenztrainings „Fit for Life“ ein Anti-Gewalt-Training (AGT). Neben dem Projektwochenende finden
in der Regel zwischen September und Mai wöchentliche Termine statt.

Kommunikation und Teamgeist beim Spaghettiturm-Bau

Ein ganzes Wochenende campen sie jetzt in der Turnhalle des Antoniushauses und haben ein anstrengendes wie abwechslungsreiches Programm vor sich. Gerade geht es darum, besser miteinander zu kommunizieren, als Team zu wachsen, zusammenzuarbeiten. Der „Turmbau zu Marshmallow“ steht als nächste Herausforderung auf dem komplett durchstrukturierten Tagesplan mit festen Spielregeln. Zwei Teams versuchen, innerhalb von 30 Minuten aus Spaghetti, einem Marshmallow und weiteren Materialien einen möglichst hohen Turm zu bauen. Schnell stellt sich heraus, wer in der jeweiligen Gruppe die Führungsrolle übernimmt. Team A versucht aus den Ideen der Einzelnen eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, um einen stabilen Turm zu bauen. Bei Team B klappt es weniger gut, im Laufe der Zeit werden sogar ein paar Spaghetti aufgegessen. Team A gewinnt. „Bei uns hat der Teamgeist gefehlt“, resümiert Fabian* aus Gruppe B. „Wir haben einander nicht zugehört und ziemlich schnell den Glauben verloren, überhaupt was schaffen zu können.“ Trotzdem reflektiert die Verlierergruppe auch Positives: „Wir konnten über das Ergebnis lachen, uns mit den anderen freuen und sind nicht ausgeflippt.“

Lebenskompetenzen stärken

Kinder und Jugendliche, die durch erhöhte Aggressivität sich selbst oder andere gefährden, körperliche oder seelische Gewalt ausüben oder kein Unrechtsbewusstsein haben, werden durch das AGT unterstützt, zukünftig besser im Leben zurechtzukommen. Das erfordert das Erlernen oder Vertiefen von sozialer Kompetenz. Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen und Provokationen auszuhalten. Verdeutlicht wird das während des Programmes unter anderem durch Tatkonfrontationen auf dem „heißen Stuhl“, dem Schreiben von Opferbriefen und vielen Gesprächen mit konfrontativer Ressourcenarbeit und Deeskalationstraining. Auf die Frage, warum Jugendliche in einer Wohngruppe und im Sozialkompetenztraining landen, legt sich Sozialpädagoge Daniel Pech nicht fest: „Es gibt zahlreiche Gründe. Eine Ursache ist sicher, dass das familiäre Zusammenleben daheim nicht funktioniert und die Kinder deshalb mit Defiziten aufwachsen. Psychische Krankheiten bei den Kindern können dabei eine Rolle spielen, aber auch Eltern, die selbst krank oder wegen anderer Probleme mit den Kindern einfach komplett überfordert sind.“

Steiniger, aber lohnenswerter Weg

Der Weg, den die acht Jungs gerade bestreiten, ist steinig und bietet auch in der Turnhalle immer wieder Konfliktpotenzial. Trotzdem sind sie stolz darauf, dabei zu sein, und profitieren, wie Olli* berichtet: „Ich habe bisher schon viel miterlebt und habe das Gefühl, dass es viel fürs Leben bringt. Ich lerne Situationen zu klären, ohne Gewalt zu verwenden. Man kann stolz auf sich sein, wenn man später als Erwachsener in der Lage ist, nicht zuzuschlagen, sondern Beleidigungen einfach abprallen lassen und Situationen besser klären kann.“
Andrea Obele

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